21. September 2010

Flusslauf im Wandel

Eberbach und das Phänomen Neckartal

Von Michael Hahl

Die süddeutsche Flussgeschichte ist ein Wechselspiel aus etlichen Komponenten: Hebung und Absenkung großer Flächen, Schwankungen der Einzugsgebietsgröße, der Klimafaktoren und der Meeresspiegelniveaus, bis hin zu von Vulkanfeldern oder gar Meteoriten verursachten Auswirkungen – vieles spielt mit hinein, wenn Flusssysteme einander anzapfen und ihre Laufrichtung umkehren. Im Raum Eberbach sind ganz besonders vielfältige und eindrucksvolle Spuren erhalten, die Aufschluss über die Entwicklung eines süddeutschen Flusses geben: des Neckars.













Foto: Hahl

Als vor über 30 Mio. Jahren der Höhenversatz zwischen dem nördlichen Oberrheingraben und dem Odenwald beginnt, bilden sich erstmals westwärts entwässernde Bäche und Flüsse. Aufgrund der tiefen Erosionsbasis im Rheinmündungsbereich nagen sie sich in die Tiefe und ihre Quellen fressen sich sukzessive weiter ins Gebirge hinein. Auch die Quellen des „Ur-Neckars“ vergrößern das Einzugsgebiet durch rückschreitende Erosion und „untergraben“ die europäische Wasserscheide.

Vor etwa 24 Mio. Jahren, im Miozän, werden die Hebungsvorgänge unterbrochen, Täler mit Sedimenten aufgefüllt, das Relief eingeebnet. Episodisch anwachsende Wassermassen strömen nun, ohne Täler zu bilden, als kilometerbreite Fluten und hinterlassen grobe Schotter, nachgewiesen beispielsweise im Kraichgau.

Allmählich entsteht erneut ein zunächst noch geringer Höhenversatz und die rückschreitende Erosion wird fortgeführt. Das Quellgebiet des Ur-Neckars erreicht den Raum „Eberbach“, wo ein weit älteres Flusssystem gemächlich Richtung Süden entwässert. Wir bezeichnen diesen südwärts gerichteten Flusslauf als „nördliche Ur-Lone“ oder auch "Neckar-Lone". Der dynamische Neckar zapft den alten Fluss an, noch heute sensationell bezeugt vom Eberbacher Neckarknie.

Abschnittweise erfolgt jetzt die Flussumkehr, forciert auch von den ursprünglich nach Süden entwässernden Nebenflüssen Elz, Jagst und Kocher, die sich bald in den Neckar ergießen. Die Hebung der Alb und des Urach-Kirchheimer Vulkanfeldes sowie die mittelmiozäne Absenkung des Meeresspiegels tragen sicher zur Flussumkehr bei, auch die Trümmer des Nördlinger Ries-Impacts leiten Nebenflüsse zum Neckar.

Spätestens mit dem vor rund fünf Mio. Jahren wieder stark eintretenden Höhenversatz zwischen Oberrheingraben und Odenwald wird die Talbildung intensiviert. Zunächst entstehen flache, sehr breite Rinnen, heute dokumentiert von der topfebenen Breitterrasse am Eberbacher Scheuerberg, die wiederum vom jüngeren Flussbettrelikt des Flurstücks Kühruh zerschnitten wird.

Später nagen sich der Schollerbuckel-Mäander und die Talböden von Ohrsberg und Hungerbuckel weiter ins emporwachsende Gebirge hinein. Das Flusstal wird immer enger und tiefer, bis die steilen Talflanken des Neckars schließlich ihre heutigen Formen erhalten. - Wie eine Chronik der Neckargeschichte sind die Eberbacher Talböden noch heute auf unterschiedlichen Höhenlagen zu erkennen. Sie bezeugen einen Flusslauf im Wandel.

Veränderter Auszug aus der 16-seitigen Broschüre zum "Eberbacher Pfad der Flussgeschichte", die vom Projektbüro proreg im Auftrag der Stadt Eberbach und des Naturparks Neckjartal-Odenwald bearbeitet wurde. Sie können die Broschüre bei der Stadt Eberbach bestellen! Leopoldsplatz 1 69412 Eberbach Fon: 06271-87242 E-Mail: tourismus@eberbach.de Web: http://www.eberbach.de/

Quellenangabe: HAHL, M. (2010): Eberbacher Pfad der Flussgeschichte. Imageprospekt. Hrsg.: Stadt Eberbach, in Koop. m.d. Naturpark Neckartal-Odenwald. 16S.

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