25. August 2010

Die Kalköfen von Dallau und Neckarburken

Technische Kulturdenkmäler an der
Buntsandstein-Muschelkalk-Grenze

Die beiden Elztaler Kalkschachtöfen in den Ortsteilen Neckarburken und Dallau (Neckar-Odenwald-Kreis, Baden-Württemberg) wurden wohl erstmals im 19. Jahrhundert errichtet. Die Kulturtechnik des Kalkbrennens ist freilich schon über 4000 Jahre alt, geht auf den östlichen Mittelmeerraum zurück und wurde in unserer Region von den Römern eingeführt. Überall dort, wo Gebäude nicht nur aus Holz, Lehm oder Trockenmauern bestehen, sondern aus verbundenem Mauerwerk, benötigte man Kalkmörtel. Auch zum Verputzen und Weißen der Fassaden, zum Düngen und für viele weitere Bereiche wurde Kalk verwendet. Hierzu musste Kalkstein in speziellen Brennanlagen aufbereitet werden. (vgl. Bild 1, überdachte Brennofenanlage Elztal-Neckarburken, Foto: Hahl)

Vom Muschelkalk zum Mörtel

Kalkstein? Kalk? Mörtel? Was ist überhaupt der Unterschied? Kalkstein ist ein weit verbreitetes Sedimentgestein. Es besteht – genau wie Marmor und Kreide – aus einer als Calciumcarbonat (CaCO3) bezeichneten chemischen Verbindung. Größere Kalksteinvorkommen finden wir in der Schwäbisch-Fränkischen Alb und natürlich im Muschelkalk, beispielsweise im südöstlich an den Odenwald grenzenden Bauland. Im Kalkofen wird ab einer Temperatur von etwa 800°C Kohlendioxid aus dem Kalkstein ausgetrieben, wodurch Calciumoxid (CaO), das heißt Branntkalk entsteht. Kommt dieses weiße Pulver mit Wasser in Berührung, bildet sich „gelöschter Kalk“, der wiederum mit Sand vermischt zu Kalkmörtel verarbeitet wird.

Die Neckarburkener und die Dallauer Brennanlagen funktionieren, wie bei den dörflichen Kalkschachtöfen ab dem 19. Jahrhundert üblich, nach einem einfachen Prinzip (vgl. Bildauszug einer Naturparktafel sowie nachfolgendes Bild des Brennschachts; Aufnahmen: Hahl). Als Brennraum dient ein mit Kalk- und Sandstein doppelwandig gemauerter, trichterförmiger und nach oben offener Schacht mit zwei bis drei Meter Durchmesser. Dieser kann mit mehreren Lagen aus Kalksteinbrocken und Holzkohle befüllt werden, in jüngeren Zeiten verwendete man auch Steinkohle oder Koks mit höherem Brennwert. Von unten wird der Kalkofen befeuert, nach oben können die Rauchgase abziehen. Sobald die tiefsten Lagen aus Kalkstein und Kohle glühen, wandert der Brand innerhalb von etwa drei bis vier Tagen bei Temperaturen um 1000°C durch alle Schichten hindurch nach oben. Nach abgeschlossenem Brennvorgang kann man die porösen Branntkalkbrocken entnehmen und weiterverarbeiten.















Erdgeschichte schafft Wirtschaftsweise

Natürlich ist es kein Zufall, dass in den Elztaler Ortsteilen Dallau und Neckarburken heute gleich zwei restaurierte Kalköfen zu finden sind. Wie so oft, wirkt sich auch hier das anstehende Gestein auf Kulturgeschichte, Technik und Wirtschaftsweise aus. Die Erdgeschichte greift weit in die historische Entwicklung. Elztal mit seinen Ortsteilen liegt am Übergang vom Buntsandstein zum Muschelkalk. Die Gesteinsgrenze steht gleichsam für die kulturräumliche Unterscheidung in Odenwald und Bauland. Gerade hier war die Einrichtung von Kalkschachtöfen effektiv.

Bereits erwähnt wurde, dass der trichterförmige Brennschacht doppelt gemauert ist: Der äußere Mauerring ist mit Kalkstein, der innere mit Sandstein aufgebaut, dessen Erweichungspunkt auf höherer Temperaturstufe liegt. Auch gab es aus dem Buntsandstein-Odenwald, als die Wälder durch Übernutzung noch weiträumig dezimiert waren, ein ausreichendes Brennholz- und Holzkohleangebot, um die Kalköfen befeuern zu können. Im Bauland selbst überwogen landwirtschaftlich genutzte Flächen, die kaum Brennmaterial lieferten. Die Kalksteine indes konnte man aus den lokalen Muschelkalkbrüchen gewinnen.

Also wundert es nicht, dass im geologischen Grenzsaum der Gemeinde Elztal gleich zwei Kalköfen als technische Kulturdenkmäler erhalten blieben und restauriert werden konnten. Auch die Römer, die ja einst die Innovation des Kalkbrennens nach Germanien brachten, nutzten schon vor fast 2000 Jahren die hier anstehenden Gesteine. Unweit des Kohortenkastells auf Neckarburkener Gemarkung fand man, als 1991 das Schulgebäude erweitert wurde, einen vollständig bestückten römischen Kalkofen, der aber im Zuge der Siedlungsbaumaßnahmen nicht konserviert werden konnte.

Es war ein langer Weg zur Restaurierung der beiden historischen Kalköfen in Neckarburken und in Dallau, der ohne das persönliche Engagement von Bürgermeister Wilhelm Götz und einigen begeisterten Bürgern nicht denkbar gewesen wäre. Im Mai 2010 wurde in Elztal zudem ein Kalkofenwanderweg eingerichtet.

Publiziert im GPS-Guidesystem "WanderWalter", abrufbar unter http://karte.wanderwalter.de/naturpark-neckartal-odenwald/ - im Auftrag der Gmd. Elztal

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi, bin zufällig beim Stöbern auf diesen Blog gestossen. Hochinteressante Beiträge, vielen Dank und bitte weiter so!

;-)

Michael Hahl hat gesagt…

Danke auch...