Der Neckarursprung im Spiegel der Flussgeschichte
Die Reise in die Flussgeschichte des Neckars beginnt. Und wo anders sollte die Spur aufgenommen werden, wenn nicht an seiner Quelle im Naturschutzgebiet Schwenninger Moos. Zwischen Wäldern, Kalk-Magerrasen und Mooren liegt der idyllische Moosweiher, der aus dem Torf gestochen und zum Neckarursprung erklärt wurde. Hier erblickt der 367 Kilometer lange Fluss mit seinem etwa 14000 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet das Licht der Welt. Von hier aus wird er die Keuper- und Muschelkalk-Gesteine des süddeutschen Schichtstufenlandes durchströmen, tief in die Odenwälder Buntsandstein-Schichten einschneiden und schließlich durch die Oberrheinische Tiefebene seinem Vorfluter Rhein entgegenfließen. Das Schwenninger Moos ist nicht nur Quellgebiet des Neckars, hier verläuft auch die europäische Wasserscheide, die das Rhenanische vom Danubischen Flusssystem trennt: Rhein und Donau führen seit Jahrmillionen einen Kampf um diese Wasserscheide, und die Flussgeschichte des Neckars spielt dabei eine maßgebliche Rolle.
Auch politische Grenzen verliefen am Schwenninger Moos, etwa die zwischen dem Großherzogtum Baden und dem Königreich Württemberg. Der 1901 in Rottenburg geborene Mundart-Poet Josef Eberle alias Sebastian Blau widmet dem Neckar ein wortgewaltiges Gedicht. „Iatz gucket ao des Wässerle, / wias aus em Bode´ spritzt“, so beschreibt er die Neckarquelle, und wohl mit einem schelmisch zugekniffenen Auge meint er, der Fluss sei „e´ guater ond regelreachter Schwob“ und er „ghaöt ens Ländle“! Neckarabwärts wird’s dramatisch: „Soweit wär älles reacht ond schö´. / Was aber tuat dear Stromer? / r lauft schnurstracks ens Badisch nei´ / ond selt – vor lauter Jomer – / versäuft r se em Rhei´!“ Der schwäbische Schicksalsstrom ertränkt sich jämmerlich im badischen Rhein. Was Sebastian Blau vielleicht nicht ahnte: Flussgeschichtlich betrachtet setzten die Geschicke der Herzader Schwabens ohnehin in Nordbaden ein; im Raum Heidelberg nahm ein kleiner Ur-Neckar, zunächst ein regelrechter Kurpfälzer, vor Jahrmillionen seinen Lauf auf. Durch rückschreitende Erosion nagte er sich allmählich ins württembergische Schwabenländle hinein. Somit sind wir beim eigentlichen Neckar-Ursprung angelangt: an der Startlinie der Flussgeschichte! (...)
Auszug aus: HAHL, M. (2007): "Der Neckar gehört ins Ländle". Flussgeschichte und Geologie zwischen Mannheim und Schwenninger Moos. In: Begleitpublikation zur Ausstellung "StadtLandNeckar - ein Fluss-ABC". Städtische Museen Esslingen. S.55-59. (erscheint im September) - Weitere Kapitel: Mit dem Oberrheingraben kommt alles in Bewegung / Der Neckar nagt sich durch / Mäander und Umlaufberge – die Spielwiese der Flussdynamik / Die Gegenwart, eine Momentaufnahme
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